Casting ist offenbar kein Allheilmittel. Sind die Sommermonate im TV-Programm ohnehin von jeher eine laue Angelegenheit, fallen dieses Jahr nahezu alle neu produzierten Showkonzepte bei RTL und Pro7 gnadenlos durch. Auffällig ist dabei, dass man sich in den beiden Sendeanstalten offenbar einfach am derzeitigen Erfolgsmodell Nr. 1 festgehalten und geglaubt hat, das Konzept Casting müsste doch alleine bereits ausreichen. Die Zuschauer sehen das offenbar anders.

Wenn nicht gerade Herdplatten erhitzt, Landwirte verkuppelt oder Berater in allen Lebenslagen auf scheinbar hoffnungslose Fälle (Familien, Wohnungen, leere Bankkonten) gehetzt werden, kann man sicher sein, dass im Wettstreit um die Zuschauergunst im deutschen Privatfernsehen derzeit so ziemlich alles durchgecastet wird, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Mit DSDS, GNTM und Popstars halten sich seit Jahren drei Formate auf konstant hohem Quotenniveau. Dass sich mit Trittbrettvarianten alleine noch keine vergleichbare Publikumsbegeisterung erzielen lässt, beweisen sich RTL und Pro7 derzeit selber.

Bekanntermaßen haben es die Privaten in denjenigen Monaten, da ihre Erfolgsformate in die Sommerpause gehen, nicht gerade leicht, vernünftige Quoten mit Eigenproduktionen zu erzielen. Der Zuschauer sitzt bei gutem Wetter ohnehin lieber im Biergarten oder ist gänzlich in den Urlaub verschwunden. Wie also die noch verbliebene werberelevante Zielgruppe erreichen? Am besten mit etwas, das immer funktioniert – hat man sich offenbar in den zuständigen Redaktionen gedacht, und schnell mal ein paar Casting-Formate aus dem Boden gestampft.

Funktioniert hat bisher keines davon. „Germany´s Next Showstars“, die gähnend langweilige Bühnentruppenauswahl für die kommende Tour von DJ Bobo mit einer Zweitverwerterjury aus Verona Pooth und Elton erinnerte nur hinsichtlich des konzeptionslosen Zusammenstellens von Zirkus-Acts an das RTL-Erfolgsformat „Das Supertalent“. Quotenmäßig lag der Marktanteil beim Finale der vierteiligen Show bei gerade mal mageren 10,2 Prozent.

Nicht besser erging es Til Schweigers Altherrenfantasie „Mission Hollywood“, bei der sich junge Schauspielerinnen mit unterschiedlichem Talentstatus im Nachspielen bekannter Filmszenen profilieren müssen. Doch weder Lesbenküsse noch vorgetäuschte Orgasmen halfen der trashigen GNTM-Variante (sichtbar die gleiche Produktionsfirma: Tresor TV) über einen Marktanteil von 6,7 Prozent. RTL verlegte die Sendung flugs vom Montagabend auf den Samstagnachmittag. Einziges Trostpflaster für Schweiger: Die ersetzenden Wiederholungen von „Rach, der Restauranttester“ laufen auch nicht besser.

Noch weniger genervte Zuschauer wollten allerdings dabei zusehen, wie Pro7 einen Mann für Dschungelcamp-Zicke Giulia Siegel sucht. „Giulia in love“, eine 1-zu-1-Kopie erfolgreicher US-Formate wie „Flavor of love“ oder „Rock of love“, erbrachte schon bei der ersten Folge gerade einmal einen Marktanteil von 4,5 Prozent. Folge zwei stürzte gar auf 3,6 Prozent ab. Männer, die vor der Produzententochter die Hosen runterlassen, will also offenbar niemand sehen.

Noch eine Stufe tiefer auf der Niveauskala bewegt sich die zweifelhafte Fleischbeschau „Sommermädchen 2009“, ebenfalls auf Pro7. Das Konzept: Eine handvoll junger Frauen im Bikini stürzt sich mit Gleitcreme beschmiert eine Wasserrutsche herunter. Ein „Plattenproduzent“ und sein Kumpel (O-Ton: „immer zwei Würstchen im Feuer“) bewerten einzelne Körperregionen der Teilnehmerinnen. Wer am Schluss übrig bleibt, darf sich für die FHM ausziehen. Dazu üben sich Charlotte Engelhardt und Steven Gätjen im Moderieren. – So ungefähr lässt sich die Show beschreiben, und so sehen auch die Quoten aus: 4,4 Prozent Marktanteil bei Folge 1.

In der darauffolgenden Woche konnte sogar das ZDF ein besseres Ergebnis erzielen. Und das mit einer bikinifreien Wiederholung der ultrabraven Krimireihe „Wilsberg“ – Allerdings hatte man dort auch zuvor gerade mit „Ich kann Kanzler“ seinen eigenen Castingflop.

Einigermaßen solide entwickelt sich lediglich Oliver Pochers Fussballercasting auf SAT1. Doch dazu muss Promikicker Bushido auch schon mal einen Mitbewerber krankenhausreif grätschen. Casting braucht im Fernsehen eben naturgemäß Blut, Schweiß und Tränen.

(Angaben gemäß quotenmeter.de)